DAS NERVENSYSTEM DES PFERDES

Das Nervensystem des Pferdes besteht aus dem Gehirn, dem Rückenmark und den Nerven selbst. Die Nerven leiten elektrische Impulse vom Gehirn zu den Muskeln und Sehnen sowie den inneren Organen des Pferdes und steuern alle Lebensvorgänge (Bewegung, Verhalten, Verdauung usw.).

Das Rückenmark ist durch die Wirbelsäule und die Wirbelkörper (analog zu der menschlichen Wirbelsäule) geschützt weil es sich im Inneren der Wirbelkörper befindet.

Das Nervensystem des Pferdes setzt sich grob aus zwei Hauptbestandteilen zusammen: Unterschieden wird zwischen dem zentralen Nervensystem (abgekürzt: ZNS) und dem peripheren Nervensystem. Zum zentralen Nervensystem des Pferdes gehören das Gehirn und das Rückenmark. Beide Organe sind von schützenden Knochen umgeben. Das Gehirn liegt im Schädel des Pferdes und das Rückenmark in den Wirbeln der Wirbelsäule. Das periphere Nervensystem des Pferdes wird von den Nerven gebildet. 

Das Nervensystem ist für die Steuerung aller Reaktionen und Aktivitäten, die das Verhalten des Pferdes ausmachen, zuständig. Das zentrale Nervensystem erhält ständig Informationen aus der äußeren Umgebung, die von sensorischen Systemen des Pferdekörpers (Hören, Riechen, Sehen, Fühlen) und aus dem Inneren des Körpers (Temperatur, Schmerz, Körperposition) gesendet werden. Im zentralen Nervensystem werden diese Informationen gefiltert und auf unterschiedliche Weise weiter verarbeitet. Anschließend sendet das zentrale Nervensystem als Ergebnis der Verarbeitung Nachrichten an die Sklettmuskeln des Pferdes.

Beinahe alle Verhaltensaktivitäten des Pferdes finden durch ein Zusammenziehen der Sklettmuskeln statt. Dabei gibt es Reaktionen, die automatisch, direkt und festgelegt erfolgen. Diese werden als Reflexe bezeichnet. Andere Reaktionen passieren „freiwillig“ bzw. „bewusst“. Diese Reaktionen können auf einer Entscheidung beruhen, wobei unterschiedliche Faktoren wie bereits in der Vergangenheit gemachte Erfahrungen oder Motivation einfließen und zu einer Handlung aufrufen.

Neben den nach außen gerichteten Aktivitäten ist das Nervensystem außerdem für die Koordination der meisten inneren Funktionen des Pferdekörpers verantwortlich. Das Nervensystem kontrolliert zum Beispiel Atmung, Kontraktion des Herzens, Verdauung und die Hormonausschüttung des Pferdes. Die Hormone selbst nehmen wieder Einfluss auf das Verhalten des Pferdes, indem sie auf bestimmte Bereiche des Gehirns einwirken. Das männliche Geschlechtshormon Testosteron beeinflusst beispielsweise die Libido und Aggressivität bei Hengsten.

Grundlage für das Nervensystem des Pferdes sind die Nervenzellen, die auch als Neuronen bezeichnet werden. Wenn das Pferd geboren wird, verfügt sein Körper bereits über die vollständige Anzahl an Neuronen. Wir sprechen hier von dutzenden Billionen Nervenzellen. Im Laufe des Pferdelebens werden jedoch auch keine weiteren Neuronen gebildet.

 Bei den Neuronen gibt es Unterschiede in Form und Größe in Abhängigkeit von ihrer Anordnung im Nervensystem des Pferdes. Generell sind die Neuronen allerdings relativ gleich aufgebaut. Eine Nervenzelle besitzt einen Zellkörper, mehrere weitverzweigte Zellfortsätze, die als Dendriten bezeichnet werden und einen einzelnen, langen Nervenstrang, der Axon genannt wird und aus dem Zellkörper heraus führt. An den Endabschnitten des Axons, die als Endköpfchen oder Synapsen bezeichnet werden, befinden sich noch weitere Verzweigungen.

Die Funktionsweise der Neuronen ist unabhängig von ihrer Position im Pferdekörper immer gleich. Die Neuronen reagieren auf Signale, die sie über den Zellkörper oder die Dendriten empfangen, indem sie elektrische Signale erzeugen, die äußerst schnell an die Zellenden übermittelt werden. Diesen Vorgang kann man sich ungefähr wie das Anzünden einer Lunte vorstellen: Unmittelbar nachdem die Lunte angezündet wurde, wandert die Flamme an ihr herab. In Abhängigkeit vom Neuronentyp variiert die Geschwindigkeit dieser Reizleitung von nur einem Meter pro Sekunde bis zu sagenhaften 250 Metern pro Sekunden.

Zwischen den Neuronen untereinander und zwischen den Neuronen und den anderen Körperzellen (beispielsweise Muskelzellen) findet eine Kommunikation statt. Die Verbindung zwischen zwei Nervenzellen wird als Synapse bezeichnet. Statt einer direkten elektrischen Verbindung zwischen den Nervenzellen erfolgt die Einleitung einer Substanz in den Zellzwischenraum. Dieser Substanz wird als Neurotransmitter bezeichnet. Der Neurotransmitter kann unterschiedlich zusammengesetzt sein und so unterschiedliche Reakionen der zweiten Nervenzelle auslösen. Man unterscheidet bei den Reaktionen zwischen Exzitation, wobei die Nervenzelle veranlasst wird, ihr eigenes elektrisches Signal auszusenden und Inhibition, wobei die Aktivität der Nervenzelle reduziert und sie an der Weiterleitung des Reizes gehindert wird.

Im Gehirn kann eine Nervenzelle mit vielen anderen Nervenzellen in Kontakt stehen. Teilweise sind Nervenzellen mit über hunderttausend anderen Nervenzellen verbunden. Ob eine bestimmte Stelle ein Signal abgibt oder nicht steht in Abhängigkeit von der kombinierten Aktivität aller mit ihr in dieser Situation verbundenen Neuronen ab. Durch häufige Nutzung kann sich die Effizienz einer Synapse verbessern. Es kann ebenfalls zur Bildung von neuen Verzweigungen und Synapsen kommen. Auf diese Weise wird eine mögliche zelluläre Grundlage für die Speicherung von Erinnerung gebildet.

Das Nervensystem weist neben den Nervenzellen auch weitere Zellen auf, die als Gliazellen bezeichnet werden. Einige der Gliazellen haben die Aufgabe, die Übertragungsgeschwindigkeit von Reizen in den Axonen zu steigern. Andere Gliazellen sind für den Erhalt der Nervenzellen verantwortlich. Sie liefern den Neuronen Nährstoffe, beseitigen unerwünschte Stoffe und regen das Wachstum von Axonen und Dendriten an. Teilweise sind Gliazellen auch an der Informationsverarbeitung beteiligt.